Weibliche Ritter?
Ich gehöre zu den Frauen, die selbst gerne mal ein Schwert schwingen. Zuhause im Keller finden sich neben dem Schwert auch ein Nasalhelm und ein Gambeson.
Durch diese Tatsache fand ich mich überrascht zwischen zwei Parteien wieder: der einen, die weibliche Krieger völlig ablehnt, weil historisch nicht belegbar. Der anderen (meist weiblichen), die weibliche Krieger und gar Ritter für legitim hält und sich daran störte, dass ich mich nicht als Kriegerin sehen wollte, sondern – nur in diesem Moment – in einer Männerrolle.
Um mir meine eigene Meinung dazu zu bilden, fing ich an, Informationen zu sammeln.
Frauen und Kampfhandlungen
Man kann davon ausgehen, dass die Frauen bei der Belagerung und Erstürmung einer Burg oder bei einem Angriff im Gelände nicht tatenlos zugesehen haben. Mütter und Ammen werden natürlich versucht haben, die kleinen Kinder so gut wie möglich in Sicherheit zu bringen.
Aber einige Darstellungen lassen darauf schließen, dass die anderen Frauen sich nützlich machten, sei es durch indirekte Unterstützung der Männer wie das Versorgen mit Getränken und einem schnellen Bissen, aber auch durch das Herbeibringen von Kampfausrüstung (Pfeile, Steine, heißes Öl, ….) und tatsächlich durch aktives Eingreifen.
Eine Quelle liefert der Autor der Gesta Francorum zum ersten Kreuzzug. Als die Kreuzfahrer bei Dorylaion in einen Hinterhalt gerieten schreibt er: „Die Frauen im Lager waren an diesem Tag eine große Hilfe für uns, denn sie brachten unseren Kämpfern Wasser zum Trinken und ermunterten die Streiter und Verteidiger.“
Die Frauen leisteten hier also einen – nicht ungefährlichen – aktiven Beitrag zum Kampf.
Bild aus „Willehalm“
Willehalm und die Königin im Boot, „dî Kunigin hilft îm mit dem Rueder“
Österr. Nationalbibliothek Wien, mit frdl. Genehmigung
Definition des Begriffs „Ritter“
I) Der Begriff „Ritter“ kommt von „Reiter“, also schlicht jemandem, der zu Pferd unterwegs ist. Im alemannischen Sprachraum heißt ein Reiter heute noch „Ridder“. Die Fortbewegung zu Pferd war schon im frühen Mittelalter etwas, was sich nur reiche Leute und Adelige leisten konnten. Alle anderen fuhren mit Karren oder gingen zu Fuß.
II) Im Übergang vom Früh- zum Hochmittelalter entwickelte sich der Begriff des Ritters zu mehr als nur einem Krieger, der zu Pferd kämpfte.
Ein hoch- oder spätmittelalterlicher Ritter war
1) ein berittener Krieger, in späteren Zeiten schlicht ein Kavallerist UND 2) ein gesellschaftlicher Status mit vielen Rechten und Pflichten, der durch ein bestimmtes Ritual verliehen wurde.
Krieger = Mann?
Krieger – ob mit oder ohne Pferd – waren in christlich geprägten Völkern ausschließlich Männer, bis weit in die moderne Zeit hinein. Frauen waren in kriegerische Handlungen zwar involviert, aber nicht als Soldatin. „Undercover“ agierende Frauen wurden in dieser Männerwelt ziemlich schnell enttarnt, mit unterschiedlichen Konsequenzen.
Zeitgenössische Quellen, in denen weibliche „Ritter“ vorkommen
9135
zwelf mägde sûberlîche, wol gekleit unde geriten, niht nâch wîplîchen siten: si vuorten mannes kleider an und hêtenz ofte guot getân
9140
an manger rîterschefte mit wîplîcher krefte. vil schoeniu ors zôch man vor in. vrouwe Êlamîe, diu künigin brâhte ir wünniclîchen schar
9145
in ir geselleschefte dar. si wârn von Âlârîe geborn und hêten ir wîpheit verkorn und rîterschaft an sich genomen. ich sagiu wâ von daz was komen:
9150
diu ir aller vrouwe was, der en wart vor Dômas gevangen an einem strîte. nâch dem selben zîte nam si an sich rîters leben;
9155
des wart ir hôher prîs gegeben. si was ein maget wol getân. ir en hiez der grâve Adân, den Rôaz der heiden vie dâ schoeniu rîterschaft ergie.
Aus dem „Wigalois“, Wirnt von Grafenberg
Arabische Chronisten
(Ibn al-Atir XII 20-26) zur Belagerung Akkons:
Unter den Gefangenen waren auch drei fränkische Frauen, die zu Pferde gekämpft hatten; erst als sie gefangen und entwaffnet waren, erkannte man sie als Frauen.
(Imad ad-Din 28-231) zu kämpfenden Frauen:
Es kam auch eine sehr angesehene Frau grossen Reichtums übers Meer; sie war eine Herrscherin in ihrem Land, und in ihrer Begleitung waren fünfhundert Ritter mit ihren Pferden, Schildknappen, Pagen und Diener, für die sie alle notwendigen Ausgaben übernommen hatte und die sie reichlich mit ihrem Geld versah.
Sie ritten los, wenn sie losritt, griffen an, wenn sie angriff, stürmten vor, wenn sie vorstürmte, und ihre Scharen hielten Stand, wenn sie standhielt.
Es gibt wirklich weibliche Ritter unter den Franken, mit Rüstungen und Helmen, gekleidet wie Männer, die ins dichte Schlachtgetümmel ritten, wie verständige Männer handelten…
Am Tag der Schlacht rückte mehr als eine Frau mit ihnen aus, die sich wie die Ritter benahm, und (männliche) Härte zeigte trotz der Schwäche (ihres Geschlechtes).
Sie trugen Panzerhemden und wurden erst erkannt, als sie der Waffen entkleidet und entblößt wurden.
(Baha’ ad-Din 229-239) Letzter Angriff auf Akkon
Ein anderer altbewährter, kluger Soldat,… erzählte mir, hinter der Brustwehr habe eine Frau in einem grünen Mantel gestanden, ständig mit einem hölzernen Bogen auf unsere Kämpfer geschossen und viele verwundet, bis sie schließlich überwältigt und getötet wurde.
Den Bogen nahm man ihr ab und brachte ihn Saladin, der sich tief erstaunt darüber zeigte.
Eine weitere Quelle
„Guilbert de Nogent wrote a history of the Crusades and mentioned „a troop of Amazons“ who accompanied Emperor Conrad to Syria as well as women Crusaders in the army of William, Count of Poitiers.“
Er schreibt aber nichts dazu, dass diese Amazonen auch an Schlachten teilnahmen.
Englische Übersetzung seines Berichts: http://www.fordham.edu/halsall/basis/guibert-vita.html
(Textstelle(n) noch nicht gefunden!)
Weibliche Heerführerinnen
Sigelgaita (11 Jhr.): Langobardische Prinzessin, befehligte die Truppen ihres Mannes
Sigelgaita/Sikelgaita/Sichelgaita/Gaita ritt an der Seite ihres Mannes Robert de Hauteville/Robert Guiscard dem Heer voran, als dieser 1081 bei Dyrrhachium/Durazzo/Durrës gegen die Byzantiner kämpfte, und führte einen Teil des Heeres während der Belagerung von Trani (Robert belagerte zeitgleich Tarent; es ging um die Niederwerfung einer Rebellion).
Über ihr militärisches Auftreten berichtet explizit die Alexiade der Anna Komnena – hier die englische Übersetzung der entsprechenden Textstelle des ersten Buches:
Zitat: Alexiade Buch 1 XV
„Leaving Salernum, he came to Hydruntum, and there spent a few days waiting for his wife, Gaita (for she too accompanied her husband, and when dressed in full armour the woman was a fearsome sight)…“
Von Medieval Sourcebook: Anna Comnena: The Alexiad: Book I
Alrude, Countess of Bertinoro in Italy led her army and broke a siege at Aucona in 1172, she also took part in several battles when she returned to her own castle.
Petronilla, Countess of Leicester took part in her husband’s rebellion against Henry II in 1173. According to Jordan Fantosome “ she was armed in a hauberk and carried a sword and shield“. (info given by Pamela – SHAKESPEARE.@prodigy.net)
Urraca, Queen of Aragon became ruler of Leon-Castile in 1094 when her husband died. She remarried in 1098 and then spent 13 years at war with her second husband, Alfonso the Battler, to protect the inheritance rights of her son by her first marriage. She led her own armies into battle.
aus: http://www.lothene.demon.co.uk/others/women12.html
Walpurgis (ca. 1300), die Frau aus dem I33-Fechtbuch
„Walpurgis verharrt in der „speziellen zweiten Hut“, d. h. das Schwert auf der rechten Schulter, aber ohne auszuholen wie bei der „regulären“ zweiten Hut. Eine Hypothese (Wagner & Hand), warum auf den letzten zwei Seiten eine Frau abgebildet ist, geht dahin, dass diese Hut auch „Frauen-Hut“ genannt worden sein könnte (wie in späteren Fechtsystemen Positionen, die absichtlich Schwäche vortäuschen).“
Chroniken des Henry Knighton (1347)
The nature and purposes of dress » Rebellion
… British historian Henry Knighton complained in 1348 that some 40 or 50 English ladies were arriving at tournaments in male dress and armour to parade in the intervals, so that they might share in the glory of a tourney. Knighton claimed that God so was incensed at this behaviour that he sent thunderstorms to drive the women indoors…
Von dress :: Rebellion — Britannica Online Encyclopedia
Ordo del Hacha (1149)
ehrte die Frauen, die die Stadt Tartosa verteidigt hatten.
Diese Frauen zeigten sich mutig bei der Verteidigung der Stadt Tortosa (Katalonien); nur dürfte dies – wie aus dem Kontext um Tortosa ableitbar ist (1148 christliche Eroberung, 1149 maurische Belagerung) – wohl eher reiner Pragmatismus gewesen sein als eine „Karriere“ im Sinne ritterlicher Berufskämpfer.
Der genannte Ordo del Hacha/Orden von der Axt oder dem Beile zu Tortosa/Orden der Damen von der Axt war eine Ehrung jener Frauen durch den Grafen Ramon Berenguer IV. Über den Charakter, Aufbau u.ä. dieses Ordens ist ansonsten nichts weiter bekannt, zumal in ihn auch nur jene Frauen aufgenommen wurden und keine weiteren nach ihnen, so daß diese Gründung – wenn man sie denn so nennen will – bald schon wieder obsolet war (nämlich spätestens mit dem Ableben der letzten Dame von der Axt zu Tortosa).
In Italien der Orden der ruhmvollen (?) Heiligen Maria, gegründet 1233 von Loderigo d’Andalo, einem Adeligen aus Bologna und bestätigt 1261 von Papst Alexander IV. Dies war der erste religiöse weibliche Ritterorden. Der Orden wurde 1558 von Sixtus V unterdrückt.
(Quelle zu den beiden Ritterorden: in http://www.heraldica.org/topics/orders/wom-kn.htm, übersetzt aus dem Englischen)
In beiden Fällen wird nichts darüber geschrieben, dass diese Frauen nach ihrer Aufnahme in diese weiblichen Ritterorden Männerkleidung und/oder Schwerter trugen. Es handelt sich wohl in beiden Fällen um eine Ritterschaft nach Punkt 2.
Meine persönlichen Schlußfolgerungen zu diesem Thema …
Es ist schwierig, nach dieser langen Zeit (mind. 500 Jahre) noch zu erkennen, wo kriegsstrategische Propaganda, wo dichterische Fantasie am Werk waren. Wir wissen auch nicht, in wieweit Tatsachen von den meist aus dem Klerus stammenden Dokumentaren schlicht unterschlagen wurden.
Dass sich eine Frau mal ein Kettenhemd, einen Helm oder andere Rüstung angezogen hat, um „an die Front“ zu gehen und die Männer zu unterstützen, halte ich für glaubhaft. Dass sich eine entschlossene Frau im Ernstfall mit allem wehrte, was sie in die Finger bekam, dürfte ebenfalls nahe liegen. Dies war zu allen Zeiten der Fall.
Dass Frauen in den Kreuzzügen aktiv an Schlachten teilnahmen, mag ebenfalls so gewesen sein. Die Reise nach „da unten“ dauerte wochenlang, unter teilweise katastrophalen Bedingungen, die zuhause üblichen Konventionen waren sicherlich des öfteren außer Kraft gesetzt. Jede(r) musste zusehen, wie er oder sie am Leben blieb. Die eine oder andere Frau hat sich vielleicht tatsächlich auf dieser Fahrt zu dem entwickelt, was die arabischen Chronisten beschreiben.
ABER – und meine Formulierungen sollen dies verstärken – wir wissen zu wenig darüber!
… und die Konsequenzen für die Darstellung
Hat man also für sich selbst den Anspruch, sich an der Quellenlage zu orientieren, so ist die Darstellung einer Frau, die sich auf welche Art auch immer selbst verteidigt, legitim.
Die Darstellung einer Frau, die sich einen Helm oder Eisenhut aufsetzt, sich aus nachvollziehbarem Sicherheitsbedürfnis vielleicht einen Schild auf den Rücken nimmt und mit Kanne und Becher zumindest in die hinteren Linien einer Schlacht geht, ebenfalls.
Ebenfalls die Darstellung einer hochadeligen Dame, die in Stellvertretung ihres Mannes ein Heer anführt – aber dann konsequent, mit dem ganzen kostspieligen Aufwand, den eine Hochadels-Darstellung mit sich bringt!
Nicht jedoch die Darstellung einer christlichen, in Rüstung und bewaffnet agierenden „Ritterin“.
Hallo Susanne,
sehr aufschlussreich, gute Zusammenfassung am Schluss.
Ich recherchiere gerade für eine Freundin die ein weibliches Kostüm mit Bewaffnung darstellen möchte.
Zwei Anmerkungen habe ich noch.
Händler/innen hatten immer eine Bewaffnung dabei.
Sonst wären sie im Wald überfallen und drauf gegangen.
Die berühmteste belegte Weibliche Heerführerin fehlt in deiner Aufzählung.
Johanna von Orléons
Die, die Franzosen gegen die englische Besatzermacht im Hundertjährigen Krieg vereinigt hat, nur weil sie an ein französisches Frankreich glaubte.
viele Grüße
Roland
Hallo Roland,
stimmt, die Johanna habe ich unterschlagen. Muss ich nachtragen.
Was die Händler angeht: die waren sicherlich bewaffnet, ein gescheites Messer und/oder ein solider Prügel war sicher mit an Bord. Ich würde einfach mal spekulieren, dass die mitreisenden Frauen auch keine Bedenken hatten, sowas zu benutzen.
Meines Wissens hatten Händler aber eher Söldner oder ähnliche „Bodyguards“ mit. Die hatten einfach mehr Fachwissen :-)
Viele Grüße, Susanne