Was mag sich ein Bauer in früheren Jahrhunderten gedacht haben,
der bei der Arbeit einen solchen Stein fand?
Einen Stein mit Muscheln?
So weit weg vom Meer, das der Bauer vermutlich gar nicht kannte?
Oder wenn die Versteinerung etwas war, was dieser Bauer erkennen konnte, vielleicht ein kleiner Fisch?
Über dieses Thema lässt sich anhand der Überlieferungen mehr vermuten als wirklich beweisen.
Genau wie wir heute auch ist auch der Mensch im Mittelalter gelegentlich auf Fossilien gestoßen, sei es unterwegs (durch Felserosion herausgefallene Fossilien), bei der Ackerarbeit oder im Steinbruch. Was die Menschen damals über die ja teilweise sehr gut als Tier oder Pflanze erkennbaren Funde dachten und wie sie damit umgingen, ist kaum überliefert. Der folgende Text soll zusammenfassen, was heute bekannt ist. Über Hinweise zu diesem Thema würden wir uns sehr freuen.
Der Begriff „Fossil“
Der Name Fossil, vom Lateinischen fossilis = ausgegraben abgeleitet, wurde durch den Arzt und Bergmann Georgius Agricola (1494 – 1555) eingeführt. Zur damaligen Zeit verstand man darunter nicht nur Reste von Organismen, sondern alles „beim Graben“ gefundene, also auch Minerale, Kohlen, Erze und anderes. Erst am Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Begriff auf die Überreste von Lebewesen aus der geologischen Vergangenheit beschränkt.
Überlieferungen aus der Antike …
Die erste relativ zutreffende These über die Herkunft der Fossilien reicht zurück ins 6. Jahrhundert v.Chr.
Als einer der ersten erkannte der griechische Philosoph Xenophanes von Kolophon (570-470 v.Chr.), dass Fossilien vor allem aus dem Meer stammen. Bei der Identifizierung allerdings hatte er erhebliche Probleme.
Auch griechische Gelehrte, z.B. Pythagoras oder Herodot, interpretierten die versteinerten Muscheln und die Abdrücke von Fischen als Reste von Organismen, die einmal im Meer gelebt haben mussten. Da sie nun im Binnenland gefunden wurden, konnte das Meer nicht immer seine gegenwärtigen Grenzen gehabt haben.
… und danach
Die Weiterentwicklung dieser Erkenntnis wurde in unseren Breiten dadurch zumindest eingeschränkt oder unmöglich, dass von den griechischen Wissenschaftlern nur wenige von der katholischen Kirche anerkannt wurden. Zu diesen Wissenschaftlern und Philosophen gehörte der bekannte Aristoteles, der mit seinen Aussagen zum Thema Fossilien allerdings gründlich daneben lag.
In Ermangelung rationaler Erklärungen wurden mythische Deutungen gesucht, die oft mit dem religiösen Weltbild der Bevölkerung im Einklang standen.
Fossilien wurden offiziell als Überreste der Sintflut abgetan. Wissenschaftler, die Fossilien als Relikte der Urzeit erkannten und damit die Schöpfungstheorie in Frage stellten, galten als Ketzer.
Die nicht-wissenschaftliche Bevölkerung ging mit den Funden anders um.
Fossilien erhielten eine magische Wirkung, sei es als Heilmittel, religiöses Symbol, Amulett oder Abwehrzauber. Funde von Knochen oder gar gut erhaltenen Tieren beflügelten die Phantasie der Menschen.
Mit das bekannteste Ergebnis ist sicherlich der „Drache“ , aber auch andere schreckliche Gestalten und Erscheinungen wie z. B. Riesenmenschen können auf Fossilfunde oder auch deren Spuren (z.B. Trittsiegel von Sauriern, Abdrücke bestimmter Muscheln) zurückgeführt werden.
Mammut-Stoßzähne
Die Stoßzähne fossiler Rüsseltiere, nicht nur von eiszeitlicher Elefanten (Mammut), sondern auch die von jungtertiären Mastodontiden, wie Knochenreste von Höhlenbären wurden im Mittelalter und in den anschließenden Jahrhunderten als „Einhörner“ bzw. gegrabenes Einhorn = Unicornu verum hoch geschätzt und mit Gold aufgewogen. Entsprechend waren sie ein begehrtes Gastgeschenk auch unter Adeligen oder der Kirche.
In manchen Kirchen sieht man noch heute solche Zähne, meist aufwendig geschmückt, an einer Wand oder von der Decke hängen.
Links zum Weiterlesen:
Dr. Bernhard Gruber, Linz: Fossilien im Volksglauben http://81.10.184.26:9001/pdf/LBB_12_0239-0242.pdf
basierend auf diesem Text diese etwas schmuckere Seite:
http://www.bio.vobs.at/evolution/e03-mythen.htm
Fachliteratur in Buchform:
Erich Thenius; Norbert Vávra: Fossilien im Volksglauben und im Alltag – Bedeutung und Verwendung vorzeitlicher Tier- und Pflanzenreste von der Steinzeit bis heute – Schweizerbart-Verlag
Peter Wagenplast: Kein Mangel an Fantasie: Fossildeutungen aus alter Zeit, „Fossilien“ 06/2006